Charismen

Gaben des Heiligen Geistes

„Charisma” bedeutet im Neuen Testament „Geschenk“. Wir verstehen darunter eine jeweils von Gott geschenkte und besonders zugeteilte Befähigung zum Leben und Dienen in Kirche und Welt. Solche Gaben können nicht durch menschliche Vermittlung weitergegeben werden; sie sind unverfügbar; der Heilige Geist verteilt sie „wie er will“ (1 Kor 12,11), aber doch so, dass jeder Christ ein ihm eigenes Charisma erhält. Die Charismen sind darum so zahlreich und verschieden wie die Menschen, und sie umfassen die ganze Breite des menschlichen Alltags. Sie werden lebendig, wo immer jemand seinen Auftrag von Gott wahrnimmt und ernst nimmt. Gewöhnlich greift der Heilige Geist dabei natürliche Fähigkeiten des Menschen auf und führt sie zur Vollendung. Doch sind seiner Kraft keine Begrenzungen gesetzt; oft benutzt er gerade „das Schwache um das Starke zu beschämen“ (1 Kor 1, 27).

Im Folgenden werden einige Charismen beschrieben, die in der Charismatischen Erneuerung besonders hervorgetreten sind:

  1. Gaben des Gebetes:

Eine neue Liebe zum Beten – persönlich und in Gemeinschaft, in vielfältigsten Formen – kennzeichnet die Charismatische Erneuerung. Ein besonders lebendiges Geschenk ist der neu aufbrechende Lobpreis. Darin kommt zum Ausdruck, dass Gott und nicht der Mensch die Mitte des Betens ist. Der Glaube, dass der Geist in uns betet (vgl. Röm 8,26f), findet einen ganzheitlichen Ausdruck in dem „Beten in Sprachen“.

  1. Weisung, Zuspruch und Prophetie

Prophetie meint ein Sprechen von Gott her zu den Menschen. Der Heilige Geist befähigt Christen dazu, indem er ihnen Worte in den Mund legt, die sie allein nie finden könnten. Der „prophetische Dienst“ hat seine leibseelische und geistliche Basis darin, dass der Mensch vorbehaltlos zu Gott hin offen ist, wachsam die Situation der Menschen wahrnimmt und ein geistliches Gespür entwickelt, wie eine konkrete Situation von Gott her zu sehen ist. Diese seelsorgerliche Sensibilität kann eine Vorstufe sein und den Einzelnen für die Gabe der Prophetie im besonderen Sinn, die immer eine unverfügbare Gabe ist, disponieren.

Heute tritt das Charisma der Prophetie wieder stärker hervor: Der Mensch empfängt Worte oder auch Bilder, die nicht aus dem eigenen Überlegen entstehen, sondern die ihm „gegeben“ werden, auch wenn sie durch seine Vorstellungswelt und Sprache hindurch Gestalt gewinnen. Er muss ihre geistliche Qualität prüfen und ebenso die Frage nach dem richtigen Ort und der richtigen Zeit, sie mitzuteilen. Eine echte Prophetie wirkt nicht zwanghaft, sondern kann in Freiheit weitergegeben werden. Prophetie ermahnt, verheißt, kündet an, spendet Trost, oder deckt auf, was im Herzen verborgen ist (1 Kor 14,3.25). Sie verdeutlicht Gottes Führung in der gegenwärtigen Situation der Menschen.

Prophetische Rede kann an Qualität, Reinheit und Kraft unterschiedlich sein. Es kann sich eigenes Wunschdenken mit ihr vermischen; sie kann weitschweifig werden; Täuschung oder gar die Stimme des Bösen können sich einschleichen. Echte Prophetie ist in der Regel einfach und klar. Wer einen solchen Auftrag bekommt, sollte sich der Prüfung durch die kirchliche Gemeinschaft stellen. Hier kommt es auf die „Unterscheidung der Geister“ an. Der Geist selbst gibt auch der auf ihn hörenden Gemeinde und ihren Vorstehern ein Gespür für das, was von Gott kommt.

  1. Unterscheidung der Geister

Geistliche Unterscheidung ist wiederum eine Gabe, die nur Gott schenken kann – sowohl für persönliche Entscheidungen als auch zur Beurteilung der Charismen. Es gibt bewährte Kriterien der Unterscheidung:

Löst ein Gedanke bzw. ein Wort tiefes Vertrauen, Leibe, Freude, Frieden im Herzen aus oder eher das Gegenteil? Im Laufe der Zeit sollte der Christ lernen, anhand der Kriterien das Geschenk des Geistes zu gebrauchen und so seine Führung zu verstehen. Für den Einzelnen ist die Grundinstanz zur Wahrnehmung und Prüfung geistlicher Erfahrungen zunächst das persönliche Gewissen. Dessen geistlicher Spürsinn wird durch die Gabe der Unterscheidung gestärkt. Man darf sich bei der Prüfung nie mit nur einem Kriterium begnügen, sondern muss darauf achten, ob sich mehrere Kriterien im Zusammenspiel ergänzen. Oft ist eine deutliche Tendenz in eine Richtung festzustellen. Bei wichtigen Entscheidungen sollte man seine Beobachtungen einem Menschen mit geistlichem Urteil zur Prüfung vorlegen.

  1. Glaubenszeugnis und Evangelisierung

Wer in neuer Weise vom Geist erfasst ist, wird oft dazu gedrängt, anderen zu „berichten was der Herr für ihn getan hat und wie er Erbarmen mit ihm gehabt hat“ (Mk 5,17). Jeder muss unter der Führung des Geistes lernen, wo er reden und wo er schweigen soll, damit nicht der Mensch, sondern Gott im Mittepunkt der Verkündigung steht. Einzelzeugnisse sind dabei nie normativ für alle, sondern haben Beispielcharakter.

  1. Soziale und gesellschaftliche Dienste

Die Kirche ist Zeichen des Heils für die ganze Menschheit. Darum haben die Charismen auch einen Bezug zum Dienst an der Rettung der Welt. Einzelne und Gruppen der Charismatischen Erneuerung wissen sich zu sozialen und diakonischen Aufgaben berufen.

  1. Heilung

Dass die Verkündigung der biblischen Botschaft mit Heilung verbunden ist, hat biblische Wurzeln (z.B. Mt 4,23). Heute erfahren Menschen wieder häufiger, dass Gott durch das Gebet füreinander Heilung schenkt. Dieses Gebet wächst aus dem Vertrauen, dass Gottes Geist jede Krankheit heilen kann, und trägt so alle Krankheiten vor ihn hin, überlässt es aber zugleich Gott, ob und wie er Heilung schenken will. Ein Drängen, als „müsse“ Gott heilen, stammt nicht aus dem Geist Gottes.

Die „Gabe der Heilung“ im besonderen Sinn liegt vor, wenn Jesus einem Menschen heilende Kräfte oder eine Heilungsbotschaft anvertraut. Gelegentlich erhält jemand während des Betens für einen Kranken die Klarheit, dass Gott hier heilen will, oder auch den Impuls – etwa in einem „Wort der Erkenntnis“ (1Kor 12,8) – Heilung zuzusprechen. Niemals wird aber Heilung für ihn verfügbar. Heilungen im Namen Jesu sind frei geschenkte „Zeichen“ für die anbrechende Gottesherrschaft und heben die ärztliche Wissenschaft nicht auf, die auch eine Gabe Gottes ist (vgl. Sir 38,1-14).

  1. Gebet um Befreiung

Schließlich ist der Charismatischen Erneuerung wieder stärker bewusst geworden, dass Jesus aus der Macht der Finsternis befreit. Die „Mächte und Gewalten der Finsternis“ (Eph 6,12) sind in allem am Werk, was im Leben des Menschen zerstörerisch ist, in allem, was ihn wegführt von Gott, vom Nächsten und von sich selbst.

Das Gebet um Befreiung ist eine Bitte an Gott um wirksame Hilfe gegen tiefsitzende Bindungen und Abhängigkeiten, aber auch gegen aktuelle Angriffe des Bösen. Solches Gebet bedarf der Einordnung in eine kluge und diskrete seelsorgerliche und brüderliche Begleitung. Der Gläubige muss selbst lernen, aus dem Glauben heraus dem Bösen zu widerstehen; Konflikte dürfen nicht „überbetet“ werden. Bei dem Gebet um Befreiung sind Grenzüberschreitungen in den Bereich zu vermeiden, der nach kirchlichem Recht einem besonderen Beauftragten vorbehalten ist. Die normalen und ständigen „Waffen“ des Christen im geistlichen Kampf sind die Vater-unser-Bitte „erlöse uns von dem Bösen“ , die Sakramente, das Gebet und die Segnungen der Kirche und ein Leben aus dem Glauben. Der Christ weiß ja, dass die Macht Satans durch die Auferstehung Christi gebrochen ist.

Ausführlicher nachzulesen im Heft: „Der Geist macht lebendig. Theologische und pastorale Grundlagen der Charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche Deutschlands“ hrsg. von der Koordinierungsgruppe der CE in der Katholischen Kirche (erhältlich im CE-Sekretariat, Marienstraße 80, 76137 Karlsruhe)

E-Mail: sekretariat@erneuerung.de

weitere Informationen bei P. Adrian Kunert SJ: Charismatiker